Frauen tragen grosse Verantwortung

Für die Evaluation ihrer Arbeit im vergangenen Jahr treffen wir eine Frauengruppe, die im Rahmen des Projektes „Femmes des champs“ gemeinsam ein Feld bewirtschaftet hat. Stark in einer traditionellen Gesellschaft mit den entsprechenden kulturellen Mustern verwurzelt, leisten die Frauen nicht nur im Haus, sondern auch auf den Feldern einen grossen Teil der Arbeit. Sie erzählen, wie es sie belastet, dass sie bei ihren Männern keine Unterstützung finden, wenn es um die Erziehung und Schulbildung ihrer Kinder geht. Aus diesem Grund fördert der JRS in erster Linie die Initiativen der Frauen. Das Projekt mit den Feldern will die Frauen unterstützen, damit sie die nötigen Finanzen für den Schulunterricht ihrer Kinder erwirtschaften können. Ob ihre Kinder dabei auch von anderen Formen der Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau hören? Offensichtlich stehen die Menschen hier in Markounda in einer intensiven Spannung zwischen ihren traditionellen Gesellschaftsformen und all dem, was von aussen an sie herangetragen wird.

CAN – Fussball andersherum

Coupe d’Afrique des Nations –  CAN – der Wettstreit der besten Afrikanischen Fussballmannschaften ist auch für die Menschen hier in Markounda ein zentrales Ereignis.  Der Pfarrer konnte Dank grosser Anstrengung ein Abonnement der übertragenden Fernsehkette abschliessen und ein funktionierendes Decodier-Empfangsgerät finden. Nun wird für jedes Match der Stromgenerator in Betrieb gesetzt und der LCD-Projektor zaubert die Bilder auf die Leinwand.

Da beim Pfarrer die Spiele im Unterschied zur lokalen Videothek, wo pro Match CHF 0.20 bezahlt werden müssen, kostenlos geschaut werden können, versammelt sich jeweils eine grosse Schar von Zuschauern. Nach zwei Abenden hat man den Andrang kanalisiert durch das Montieren eines als Projektionsfläche dienenden Tuches. Auf der einen Seite sitzen die Grossen von Markounda, also der Pfarrer und andere wichtige Persönlichkeiten. Auf der anderen sind alle anderen. Dass man auf dieser Seite der Leinwand das Match spiegelverkehrt miterlebt, hindert vor allem die Kinder nicht daran, das Fussballspiel intensiv anzufeuern. Die Geräuschkulisse zeigt deutlich: Einen Kommentator hat man hier nicht nötig: jedes Kind ist sein eigener Reporter und kommentiert sein Spiel! Jedes Goal wird bejubelt – man scheint keine Präferenzen für eine Mannschaft zu haben. Und: Je länger ich die Kinder beobachte, umso mehr habe ich den Eindruck, dass die Kinder vor allem von den harten Zweikämpfen und von den schmerzverzerrten Gesichtern der auf dem Boden liegenden verletzten Spieler fasziniert sind

Blick aus der Kapelle auf die Schule

Der freie Blick auf die Dorfschule fasziniert. Im Vordergrund erteilten der Pfarrer und der Katechet von Bekinga den in der Kapelle anwesenden Eltern und Paten Taufunterricht. Und hinter ihnen findet sich das auf dieselbe Art und Weise konstruierte Schulgebäude. Diese grasbedeckten Unterstände aus Baumstämmen dienen der zurückgekehrten Dorfbevölkerung einerseits für das Praktizieren ihres Glaubens andererseits auch für die schulische Ausbildung ihrer Kinder – zwei fundamental wichtige Orte für eine zukunftsorientierte Gemeinschaftsbildung.

Der Auferstandene!

Völlig aussergewöhnlich ist es ein Kunstwerk in der Kapelle zu finden – umso mehr als dass es von einem Einheimischen geschaffen wurde. In Bandoro-Kota findet sich der aus hiesiger Erde gefertigte auferstandene Jesus!  Es lassen sich kaum dekorierte Alltagsgegenstände noch Kultgegenstände finden.

Bei meinem zweiten Besuch im Dorf hilft mir der hiesige Katechet den Künstler zu treffen. Auch wenn Monsieur Jonathan und ich keine gemeinsame Sprache finden, führt er mich zu einem Haus mit einer von ihm gefertigten Freske einer Frauengestalt mit der Bezeichnung „Maris“. Als ob diese Person ihre Arme schützend ausbreiten würde. Die Menschen im Dorf finden es äusserst kurios dass sich der Weisse für die Kunstwerke von Monsieur Jonathan interessiert.

Mir wird erzählt, dass die Menschen dieses Dorfes sehr unter den Konflikten zwischen Rebellen und Regierungstruppen gelitten hätten. Ob ich die Kunst von Monsieur Jonathan zu interpretieren vermag? Auferstehung und ein beschütztes Leben – das wünsch ich den Bewohnern dieses Dorfes auf jeden Fall.

Füsse erzählen Geschichten

Auch wenn sie in ihrem Stummsein ihre Geschichten nur erahnen lassen: immer wieder nehmen mich die Füsse meiner Gegenüber in Beschlag. Die Frauenfüsse in den Flipflops sind geprägt von der harter Arbeit auf den Felder, wo die Menschen ihre Lebensmittel durch bescheidenen Subsistenzlandwirtschaft erwirtschaften. Denn man ernährt sich weitestgehend durch selber Angepflanztes wie z.B. Kasava, Erdnüsse, Hirse, Sesam.

Und der Träger des Schuhes war mein Gegenüber in bei einem Gottesdienst in einer Dorfkapelle in dem 18 Kinder getauft wurden. Es war die erste Taufe in dieser Kapelle seit 2001. Genug Grund um den Alltag zu durchbrechen. Feldarbeit verrichtet man barfuss oder in Flipflops.

Schule oder nicht?

Sr. Marie Goretti, die Direktorin der katholischen Schule von Markounda, berichtete bereits vor Weihnachten wie alle Lehrer um einen schulfreien 2. Januar gebeten hatten. Denn in Markounda würde intensiv gefeiert und man hätte gerne einen Tag mehr für die Erholung. Da aber sowohl die offiziellen Dokumente des Erziehungsdepartements wie auch der Vereinigung Katholischer Schulen diesen Tag für die Wiederaufnahme des Schulunterrichts nach den Weihnachtsferien vorsehen, wird am 2. Januar um07.00Uhr die Schulglocke geschlagen. Das ist das gewohnte Signal für den Schulbeginn! Drei Minuten später klingelt das Mobiltelefon der Schuldirektorin. Es ist der lokale Subpräfekt von Markounda, der ungefähr 500 Meter von der Schule entfernt wohnt. Nachdem er der Schwester alles Gute gewünscht hat für das Neue Jahr 2012 fragt er, ob sie denn nicht gehört hätten, dass heute ein arbeitsfreier – wenn auch unbezahlt – Ferientag sei! Es wäre vor ein paar Tagen offiziell verkündet worden… Ob die Lehrer nach diesen Neuigkeiten sich nochmals schlafen gelegt haben?

Bei den „Moundjou“

Für den Neujahrsgottesdienst in das rund drei Stunden entfernte Maitikulu bricht unsere Mission bereits am Vortag auf. In unserem Auto befindet sich eine bunte Schar von weiteren Mitreisenden, die im Verlauf unseres Aufenthaltes vor Ort „formation et sensibilisation“ durchführen wollen. Viele andere wollten auch mitkommen, denn das ist natürlich auch eine willkommene Gelegenheit für einen geselligen Ausflug und um Verwandte und Bekannte wiedersehen zu können. Die Pfadfinder führen am Nachmittag mit ihren Kollegen von Maitikulu eine Schulung und am Abend dann eine fröhliche Feier für die Pfarrei mit Tanzen und Sketchen um das grosse Feuer durch. Die Ministranten führen andere Jugendliche in die Liturgie ein. Und Mama Susanne, eine sogenannte „femme volontaire“, organisiert ein Treffen, um mit den Frauen über Sorgen und Anliegen auszutauschen.

Zum Übernachten bin ich bei den „Moudjou“ – wie wir Weissen genannt werden – bei den Mitarbeitenden von „medecins sans frontières“ eingeladen. Dieser angenehme Abend mit den Frauen und Männern aus Deutschland, England, Frankreich, Irland, Norwegen und Portugal hat mir vor Augen geführt, wie weit entfernt von der eigenen Kultur und den Angehörigen Weihnachten und Neujahr emotional geladen und intensiv erlebt werden. Der Weihnachtsbaum wie auch die Kerzen auf dem Tisch scheinen mir mehr als blosse Dekoration zu sein.

Missionsgeschichte mit Monsieur Christian

Ein Lehrer aus Markounda, Monsieur Joachim Miabe, berichtet in seiner von ihm verfassten Lokalgeschichte, dass 1935 eine neue Epoche begonnen hat: Der erste christlich protestantische Missionar mit englischer Nationalität predigt den Namen eines „Jesus Crucifié“. Seine Berichterstattung lässt erkennen, dass es sehr bald zu einem gewissen Wettstreit zwischen protestantischen und katholischen Missionaren aus Europa kam. Dank seiner Geschichtschreibung erfahre ich von vielen Ereignissen. Zum Beispiel wird 1951 offensichtlich der erste katholische Katechet von Markounda, Monsieur Gaston Dokouna, von den französischen Spiritaner-Missionaren nach Rom und Jerusalem mitgenommen. Was er wohl nach seiner Rückkehr alles erzählt haben mag? Eine andere eigenartige Geschichte hat sich offenbar 1954 im Dorf Bangoro ereignet. Der Missionar P. Christoph sei am Sonntag für die Messe in den Ort gekommen. Doch die Gläubigen hätten alle die Arbeit auf ihren Feldern vorgezogen. Daraufhin hätte der allein gelassene Priester „le courroux de Dieu“ – den Zorn Gottes – auf das Dorf herabgerufen. Was auch immer der Geschichtsschreiber damit zum Ausdruck bringen will: kurz darauf wäre eine grosse Zahl der Einwohner an den Folgen einer Epidemie gestorben. In seiner Geschichte berichtet er, dass der Pater später erneut ins Dorf gekommen wäre und es wieder gesegnet hätte. Und zum Schluss hält er fest, dass seit damals in Bangoro Dorf der Sonntag strikt eingehalten worden sei.

Alle diese Ereignisse bestätigt mir der 1950 geborene Monsieur Christian. Er ist in seiner Jugendzeit erblindet und lebt heute allein in einer kleinen einfachen Hütte in der Nähe von anderen Familienmitgliedern. Monsieur Christian überrascht mich mit seiner lebhaften Erzählweise und seinem phänomenalen Gedächtnis für Ereignisse und Daten. Ich werde mich gerne weiter einführen lassen die Geschichte wie auch in die Geschichten von Markounda.

Zeit für Plauderei

Abbé Mercier Edgard KEKET

Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr verlaufen ruhiger als sonst und lassen Raum für „la causerie“. Man geniesst die gemeinsamen Zeiten mit Plauderei. Auf der Veranda des Pfarrhauses diskutieren wir nachts öfters über Gott und die Welt. Die Pfarrei hier umfasst neben der Hauptkirche in Markounda rund 26 weitere Kapellen. Der Pfarrer ist für nicht weniger als 27 kleinere und grössere Dorfgemeinschaften zuständig – auch um dort von Zeit zu Zeit Gottesdienste zu feiern. Gerade in der gegenwärtigen Phase des Wiederaufbaus leisten die Kirchen wesentliche Beiträge für die Gemeinschaftsbildung. Man baut nach langen Jahren im Busch oder in Flüchtlingslagern die Dörfer unter den Mangobäumen wieder auf. Man hofft auf ein zukunftsfähiges Zusammenleben. Die Distanzen – einzelne Kapellen liegen mehr als 100 km vom Zentrum in Markounda entfernt – wie auch die nur rudimentär vorhandenen Kommunikations- und Transportmittel bedeuten dass jedes Organisieren zu einem enormen Kraftaufwand wird. Im Januar und Februar möchte der Pfarrer die Kleinkinder in den Aussenstationen taufen. Doch gegenwärtig erleben wir den Übergang von der kalten zur heissen Jahreszeit. Und so sind im Moment viele Leute krank. Auch der Pfarrer Edgard behandelt seit gestern seine Malariaerkrankung.

Die Schwestern von Markounda

Die sechs Schwestern des „Insituto Soure S. Guiseppe“ aus der
Demokratischen Republik Kongo feiern den Geburtstag von Schwester Scholastique (ganz rechts)

Sie sind die Ausländerinnen in Markounda, denn alle sechs Schwestern kommen aus der Demokratischen Republik Kongo. Man spürt die Prägung durch die italienischen Missionarinnen des „Insituto Soure S. Guiseppe“ Torino, die ihre Kongregation in Afrika heimisch gemacht haben. So zaubert der lokale Koch der Schwestern gelegentlich sogar „Pasta“ auf den Tisch. Und ich geniesse diese Abwechslung zum gewohnten aus Cassava (Maniok) und Hirse bereiteten Getreidebrei sehr. Im Gästehaus dieser Schwestern habe ich mein Zimmer. Hier übernachten immer wieder Mitarbeitende von anderen NGOs, wenn sie in Markounda Station machen.

Mit drei Schwestern arbeite ich im Flüchtlingsdienst der Jesuiten zusammen. Die Schwestern tragen auch die Verantwortung für die katholische Schule, welche hier im Umkreis wohl die beste Infrastruktur hat, wie auch für ein kleines Gesundheitszentrum. Für die Bevölkerung sind die Schwestern eine Anlaufstelle für vielfältigste Notfälle. Und so hat es fast immer Leute, die auf dem Grundstück auf eine Schwester warten.